Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
Hausmusik aus meiner Schulzeit steht heute auf dem Programm: Mit einem Klassenkameraden habe ich mich vor vielen Jahren einige Male an Antonin Dvoráks Sonatine G-Dur op. 100 versucht.
Dvorák komponierte dieses Werk während der letzten zwei Novemberwochen des Jahres 1893; vollendet war sie am 3. Dezember, zwei Wochen vor der Uraufführung seiner neunten Sinfonie "Aus der Neuen Welt" in New York. Die Sonatine ist charakteristisch für die amerikanische Periode Dvoráks. Die gänzlich neuartige Kultur inspiriert ihn; dennoch ist er von einer tiefen Sehnsucht nach seiner Heimat erfüllt. Seine Ferien verbringt er bei seinen tschechischen Freunden in Spillville (Iowa), die für ihn ein Stück Heimat bedeuten und mit denen er seine Empfindungen teilen kann.
Die Sonatine war für seine eigenen Kinder gedacht, für Ottilie und Antonín. Sie ist für die Interpreten keine große Herausforderung, genießt aber nach wie vor ein Höchstmaß an Popularität. Am 2. Januar 1894 schrieb der Komponist an seinen Verleger Simrock: "Ich bin, Gott sei Dank, wohl und munter, und habe soeben mein 100. Werk vollendet, eine Sonatine für Violine und Piano. Sie ist bestimmt für die Jugend (meinen Kindern gewidmet), aber auch Große, Erwachsene, sollen sich damit unterhalten, wie sie eben können." Angeregt durch die faszinierende nordamerikanische Landschaft und Begegnungen mit deren indianischen Ureinwohnern, ist eine Fülle von Eindrücken auch in die Sätze dieser Sonatine eingeflossen. Sie machen sie demzufolge nicht nur zu nützlicher, sondern auch zu besonders reizvoller Unterrichtsliteratur.
Der erste Satz offenbart seine Wurzeln in dem vorherrschend pentatonischen Thema. Der Beginn des Satzes erinnert an das Lied "Clementine". Das Thema des zweiten Satzes in g-Moll soll Dvorák eingefallen sein, als er vor den Minnehaha-Fällen stand. Viele kennen diesen Satz als indianisches Lamento, wie ihn Fritz Kreisler in seiner Bearbeitung nannte. Das Scherzo beschwört einmal mehr die Musik sowohl Böhmens als auch Amerikas herauf, und auch im letzten Satz finden sich mancherlei Anklänge an die Sinfonie "Aus der Neuen Welt" und an das Amerikanische Streichquartett.
Am 8. April 2020 traten Gil und Orli Shaham in der Sendung "The Greene Space" auf - beide feierten mit ihrem Auftritt den 38. Geburtstag der populären Sendung des New Yorker Radiosenders WQXR, in der wöchentlich Nachwuchstalente vorgestellt werden und in der sie selbst Jahrzehnte zuvor zu Gast waren - hier also Dvoráks Sonatine in der Fassung für Violine und Klavier:
Und zum Vergleich noch die Fassung für Violoncello und Klavier: Maximilian Hornung und Herbert Schuch spielten die Sonatine am 13. Februar 2021 in der Kölner Philharmonie: