Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
wenn es nach Klickzahlen bei youtube geht, ist unser heutiges Musikstück eines der erfolgreichsten - und hierbei handelt es sich nicht etwa um ein Stück von Mozart oder Beethoven, sondern um ein Werk eines zeitgenössischen Komponisten, der mit seinen sphärischen Chorklängen seit vielen Jahren erfolgreich ist: Eric Whitacre und sein Chorwerk "Lux aurumque" - die Fassung mit dem Virtual Choir wurde aktuell bereits 6,7 Millionen Mal (!!!) weltweit aufgerufen.
Zwar lässt sich der Erfolg von Eric Whitacre nicht allein durch das Internet erklären. Doch ohne dessen Hilfe würden heute wohl wesentlich weniger Menschen die Musik des 1970 in den USA geborenen Chorleiters kennen, geschweige denn aufführen. Am besten zeigte sich dies im März 2010, als Whitacre ein ganz besonderes Musikvideo auf der Plattform Youtube veröffentlichte: Über das Netz hatte er Kontakt mit 185 Chorsängern in den USA und elf weiteren Ländern aufgenommen, die - einem Dirigiervideo Whitacres folgend - eine Stimme aus seinem Chorwerk "Lux Aurumque" sangen. Die Videoaufnahmen aus den Wohnzimmern der Sängerinnen und Sänger fügte er anschließend zusammen, und es entstand ein Virtual Choir. Schnell hatte der Clip Tausende von Fans in der ganzen Welt, und viele waren von der über lokale und nationale Grenzen hinaus geschaffenen Chorgemeinschaft zu Tränen gerührt.
Dass seine Musik bei Chören in der ganzen Welt so gut ankommt, liegt an einer relativ guten Singbarkeit und an den Harmonien, die weder Interpreten noch Publikum überfordern. Langgezogene Akkorde reihen sich aneinander, erinnern in ihrer Getragenheit und der mystischen Stimmung nicht selten an Arvo Pärt, auch Einflüsse von Francis Poulenc oder Frank Martin klingen durch. Seinen Erfolg sieht Whitacre dabei in einer generellen Renaissance des Singens begründet: „Ich habe das Gefühl, dass durch Shows wie „Pop-Idol“ (das englische Vorbild für „Deutschland sucht den Superstar“) oder die Musical-Serie „Glee“ das Singen wieder populärer geworden ist, unabhängig vom Genre.“ Seinen Youtube-Coup spielt er dagegen gern herunter: „Die Idee war weder neu noch bahnbrechend. Es ist einfach so, dass die Leute sich verbinden und finden wollen. Deswegen mag ich ja überhaupt Chormusik, weil jeder Chor von dem Gedanken getragen ist, eine Gemeinschaft zu bilden.“
"Lux Aurumque" ist bis heute die bekannteste Komposition Whitacres. Bei dem 2001 entstandenen Werk handelt es sich um eine Vertonung des Gedichts Light and Gold des amerikanischen Poeten Edward Esch. Das Gedicht gibt sich nie als explizit religiös zu erkennen. Stattdessen schöpft es aus der kunstvollen Andeutung des Engelsgesanges vor einem neugeborenen Kindlein. Whitacre versteht es, diese geheimnisvolle Andeutung nachvollziehbar in Musik zu übersetzen. Dies erreicht er einerseits durch die Verwendung sehr dichter, bisweilen schillernd-farbiger Harmonien, andererseits über einen sehr spezifischen Umgang mit der Textgrundlage: Der amerikanische Lyriker Charles Anthony Silvestri wurde vom Komponisten beauftragt, das im Original auf Englisch verfasste Gedicht ins Lateinische zu übertragen.
Hier nun zunächst die berühmt gewordene Fassung des Virtual Choirs:
Als Vergleich noch ein Mitschnitt mit dem Bel Canto Choir Vilnius unter der Leitung von Eric Whitacre, aufgezeichnet am 10. Dezember 2018 beim Konzert "Open to the World" in der Litauischen Nationalphilharmonie in Vilnius:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Urlaubsgrüßen von der Nordsee
Matthias Wengler