Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
1859 klopfte es an der Tür von Camille Saint-Saëns. Der spanische Geiger Pablo de Sarasate bat "höchst liebenswürdig und so, als sei es die einfachste Sache von der Welt, für ihn ein Konzert zu schreiben." Saint-Saëns war, wie er berichtet, "sehr geschmeichelt und dazu von ihm äußerst bezaubert" und machte sich prompt an die Arbeit seines ersten Violinkonzerts, das der Geiger mit großem Erfolg zur Uraufführung brachte. Vier Jahre später komponierte Saint-Saëns erneut ein Werk für Sarasate: Introduction et Rondo capriccioso, zwanzig Jahre später widmete er dem Violinvirtuosen noch sein drittes Violinkonzert.
Heute soll es aber um das kürzeste der für Sarasate entstandenen Werke gehen: Introduction et Rondo capriccioso op. 28, das zu den beliebtesten Werken von Camille Saint-Saëns zählt. Das war nicht immer so. Wie viele andere Werke vergleichbarer Länge war die Komposition einige Jahrzehnte lang überaus populär, doch in den 1960-er Jahren verlor sich diese Beliebtheit mit verblüffender Geschwindigkeit, was auf die technischen Entwicklungen der Tonträger zurückzuführen ist. Das Stück ließ sich bequem auf den zwei Seiten einer 78-er Schellackplatte unterbringen, doch mit dem Aufkommen der LP wurde der Markt von längeren Werken überflutet, und die einstigen Favoriten der Rundfunkanstalten verschwanden von der Bildfläche.
Inzwischen hat sich das Werk freilich längst von diesem zeitweiligen Ansehensverlust erholt, wovon viele CD-Produktionen weltweit Zeugnis ablegen. Dem nachdenklichen Anfang folgt ein funkelndes Kabinettstückchen, das für die Solisten zahlreiche Herausforderungen bereithält, unter anderem blitzartige Arpeggien und chromatische Doppelgriff-Passagen. Diese Schwierigkeiten boten Sarasate die Möglichkeit, sein meisterhaftes technisches Können zu zeigen, während seine Herkunft zugleich unmissverständlich von der Musik reflektiert wird, die von der Leidenschaftlichkeit spanischer Tänze durchzogen ist.
Heute also einmal ein Stück, das durch seine Energie förmlich aus den Nähten platzen will - und auch diesmal stelle ich Ihnen gerne drei Interpreten zur Auswahl; zunächst Janine Jansen beim Waldbühnenkonzert der Berliner Philharmoniker am 18. Juni 2006, Gastdirigent der "Orientalischen Nacht" war Neeme Järvi:
Maxim Vengerov war 1996 Solist in der UNICEF-Gala, die Essener Philharmoniker spielten unter der Leitung von Wolf-Dieter Hauschild. Außerdem hier noch zu sehen: eines der beliebtesten Stücke für Violine: "Méditation" aus der Oper "Thais" von Jules Massenet:
Und zum Abschluss noch ein Mitschnitt mit Ray Chen; das Malta Philharmonic Orchestra spielte am 23. November 2019 unter der Leitung von Sergey Smbatyan in der Svetlanov Hall des International House of Music in Moskau:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler