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02.06.2021 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten

Folge 181

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,

weiter geht es mit unseren Frühlingsstücken in dieser Woche - zunächst mit Ludwig van Beethovens Violinsonate Nr. 5 F-Dur op. 24, der sogenannten "Frühlingsonate", im Anschluss dann mit Johann Strauß' Walzer "Frühlingsstimmen" op. 410.

Beethoven schrieb seine zehn Sonaten für Violine und Klavier für Mäzene oder für reisende Geigenvirtuosen, mit denen er in Wien konzertierte. Kompositorisch knüpfen sie an die von Mozart begründete Gleichberechtigung der beiden Instrumente an. In seiner fünften Violinsonate ist dieses Vorbild sehr deutlich zu spüren. Ihre Skizzen reichen bis in die Jahre 1794/95 zurück, vollendet wurde sie jedoch erst 1801, gewidmet ist sie dem Grafen Moritz von Fries.

Beethoven nannte sie nie so. Auch fällt sie nicht in den Bereich der Programmmusik. Der volkstümliche Beiname Frühlingssonate kommt dennoch nicht von ungefähr, denn das Werk ruft beim Hörer doch unvermutet frühlingshafte Assoziationen hervor. Beethoven schreibt diese helle und freundliche Violinsonate zusammen mit der ernsten Violinsonate Nr. 4 a-Moll als kontrastierendes Paar. 1801 erscheinen sie gemeinsam als sein Opus 23. Doch durch ein Missgeschick des Verlags werden die beiden Werke im folgenden Jahr getrennt: Versehentlich werden die Violinstimmen in zwei verschiedenen Formaten gesetzt. Anstatt die Stimme neu zu gestalten, entscheidet man sich für die günstigere Variante und veröffentlicht die Violinsonaten einzeln.

Die Frühlingssonate ist beinahe als kleine Sinfonie konzipiert, was auch die viersätzige Struktur des Werkes erklärt. Der erste Satz beginnt mit viel Freude und Schwung und gibt Zeugnis von Beethovens Genie, die Dramatik der Musik zu entwickeln. Auf das in einfacher Liedform gehaltene Adagio molto espressivo folgt ein in vielfacher Hinsicht auffälliges Scherzo: Beethoven karikiert hier ein schlechtes, dilettantisches Zusammenspiel zwischen Violine und Klavier und greift im Trio auf primitive Satztechniken aus der Volksmusik zurück. Im letzten Satz versucht Beethoven die starre Form des Rondos durch Variation und motivische Arbeit aufzubrechen. 

Mit seinen frühen Violinsonaten vermochte Beethoven weder beim Publikum noch bei Kritikern großen Erfolg verbuchen, da sie den Zeitgenossen als viel zu modern erschienen. Das Sonatenpaar op. 23/24 hingegen wurde bald sehr populär und bildet damit einen ästhetischen Wendepunkt in der Rezeption des Beethovenschen Schaffens. 

Drei Konzertmitschnitte empfehle ich Ihnen heute - zunächst Anne-Sophie Mutter und Lambert Orkis, aufgezeichnet 1998 im Pariser Théatre des Champs-Elysées:

www.youtube.com/watch

Leonidas Kavakos und Enrico Pace, aufgezeichnet am 22. August 2012 im Salzburger Mozarteum während der Salzburger Festspiele:

www.youtube.com/watch

Julian Rachlin und Johannes Piirto, aufgezeichnet am 8. April 2020 im Wiener Konzerthaus:

www.youtube.com/watch

Und - sozusagen als Zugabe - heute noch ein Walzer von Johann Strauß: Frühlingsstimmen op. 410.

Johann Strauß, weltberühmt als Komponist und Geiger, erlebte seinen zweiten Frühling. Frisch verliebt in Adèle, eine um 31 Jahre jüngere Wienerin, die später seine dritte Frau wurde, setzte der Walzerkönig Anfang der 1880er Jahre seine Erfolgsserie fort, u. a. mit den Operetten "Eine Nacht in Venedig" und "Der Zigeunerbaron".

Auch bei Walzern und Polkas gelangen Strauß neue Meisterwerke, von denen der Walzer "Frühlingsstimmen" ursprünglich auch eine Verbindung zur Bühne hat. Er entstand als Gesangswalzer für eine Matinée der Opernsängerin Bianca Bianchi im Theater an der Wien. 

Musikalisch und textlich drückt der Walzer den Jubel über die Wiederkehr des Frühlings, aber im Mittelteil auch etwas Wehmut über die Vergänglichkeit der Blütezeit aus. Den Text verfasste Richard Genée, Librettist der "Fledermaus" und "Eine Nacht in Venedig". Strauß dirigierte mit großem Erfolg die Uraufführung des Gesangswalzers am 1. März 1883. In der reinen Orchesterfassung, die ganz anders instrumentiert ist als die Fassung für Koloratursopran und Orchester, wurde der Walzer am 18. März 1883 beim Strauß-Konzert im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins unter Eduard Strauß' Leitung aufgeführt - auch diesmal mit großem Erfolg.

Beide Fassungen sind hier mit den Wiener Philharmonikern zu erleben, natürlich in Mitschnitten aus den Neujahrskonzerten. Am 1. Januar 1987 sang Kathleen Battle unter der Leitung von Herbert von Karajan den Frühlingsstimmen-Walzer:

www.youtube.com/watch

Und mit Carlos Kleiber war exakt zwei Jahre später die Orchesterfassung des Walzers zu erleben:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von Matthias Wengler