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04.11.2021 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten

Folge 244

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,

zu den Werken der Celloliteratur, die leider viel zu selten auf den Konzertpodien erklingen, zählt Ernest Blochs "Schelomo", eine hebräische Rhapsodie für Violoncello und Orchester.

Ernest Bloch wurde in der Schweiz geboren und studierte dort Violine und Komposition. Nach einer Zeit als Schüler von Eugène Ysaÿe in Brüssel setzte er seine Ausbildung in Frankfurt am Main und in München fort. 1916 ging er in die USA, wo er fortan dirigierte, unterrichtete und komponierte. Von 1920 bis 1925 war er Direktor des Institute of Music in Cleveland; danach war er in ähnlicher Eigenschaft am Konservatorium von San Francisco tätig. Seinen Nachruhm verdankt er vor allem seinen durch jüdische Themen angeregten Werken wie Schelomo, Baal Shem, der Suite hébraïque und der Suite für Viola.

Bloch war ein universeller Komponist, den es mit Herz und Verstand dürstete, so viel wie nur möglich zu lernen und empfindend zu erleben. Er befasste sich mit dem, was ihn umgab, mit der Natur, der Menschheit, mit Ideologien, Ethnologie und Geschichte - und so ist es kein Wunder, dass sein Stil etliche Wandlungen durchmachte. Bloch blieb sich selbst immer treu, beobachtete die Welt genau und benutzte in seinen Visionen eine erstaunliche prophetische Gabe, die sich in Begriffen und Klängen niederschlug. Er pflegte zu sagen, dass seine Musik 35 Jahre nach seinem Tode akzeptiert werden würde. Bloch starb 1959 in Portland, Oregon.

Das Cello kommt der menschlichen Stimme besonders nahe. In wenigen Werken wird das so deutlich wie in der alttestamentarisch inspirierten Rhapsodie „Schelomo“.
Ein Rufer in der Wüste - so stellt Ernest Bloch das Cello hier dem Orchester gegenüber. Ursprünglich wollte Bloch ein Vokalwerk schreiben, in dem Texte, die dem König Salomon zugeschrieben werden, zu hören sein sollten. Dann schlug ihm der Cellist Alexander Barjanski vor, die geplanten Gesangspartien einem Solocello anzuvertrauen. Bloch griff diese Idee auf und widmete das Werk Barjanski und dessen Frau. Die Uraufführung, die 1917 in der New Yorker Carnegie Hall stattfand, spielte dann allerdings Hans Kindler unter der Leitung von Artur Bodanzky. Blochs von der Spieldauer eher kurze, vom Charakter aber weit ausladende, geradezu filmische Rhapsodie entwickelte sich schnell zu einem der großen Werke des romantisch-modernen Repertoires: Kein Cellokonzert, aber doch ein konzertantes Werk, das nahezu alle großen Cellisten im Repertoire haben.

Das mosaische Bekenntnis war für Bloch Ausgangspunkt vieler Werke; um 1910 arbeitete er an einem umfassenden „Jüdischen Zyklus“, zu dem auch „Schelomo“ gehört. 1917 notierte er: „Ich bin ein Jude, und ich will jüdische Musik schreiben, nicht als Selbstzweck, sondern weil ich mir sicher bin, dass das der einzige Weg ist, auf dem ich Musik von Vitalität und Bedeutung schreiben kann – wenn ich es denn überhaupt kann.“

Zwei Mitschnitte mit diesem Werk möchte ich Ihnen heute empfehlen. Zunächst Nicolas Altstaedt, der das Werk mit dem Kölner Gürzenich-Orchester am 20. Juni 2017 in der Philharmonie aufgeführt hat. Der Dirigent ist Lahav Shani - und die Zugabe "Der Schwan" aus "Der Karneval der Tiere" von Camille Saint-Saëns:

www.youtube.com/watch

Ein legendäres Konzert, dem auch eine berühmte Schallplattenaufnahme folgte, fand im November 1976 in Paris statt: Mstislaw Rostropowitsch musizierte Blochs "Schelomo" mit dem Orchestre National de France unter Leitung von Leonard Bernstein:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von Matthias Wengler