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23.07.2021 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten

Folge 203

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,

sie ist eine Sonate der Superlative, für jeden Interpreten Herausforderung und Visitenkarte zugleich: Ludwig van Beethovens Violinsonate Nr. 9 A-Dur op. 47, allgemein als "Kreutzer-Sonate" bekannt. Ein expressives, virtuoses Werk, das einst als unspielbar galt. 


Die Kreutzer-Sonate entstand in den Jahren 1802 und 1803. Sie ist Beethovens berühmteste Sonate für Klavier und Violine und nimmt unter seinen zehn Violinsonaten in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung ein: Neue Kompositions- und Spieltechniken, die Beethoven mit dieser Sonate eingeführt hat, deuten weit in die Zukunft. Vor allem die romantischen Violinsonaten hat er mit diesem sinfonischen Monument nachhaltig beeinflusst. 

Die Entstehungszeit dieses dreisätzigen Werkes ist von besonderer Bedeutung. Beethovens Karriere stand in ihrer Blüte, er konnte sich vor Kompositionsaufträgen und Konzertauftritten kaum retten. Um die Kreutzer-Sonate besser einordnen zu können, lohnt sich ein Blick auf die Werke, die Beethoven zur selben Zeit komponierte. Sie steht in zeitlicher und inhaltlicher Nachbarschaft zur dritten Sinfonie „Eroica“ op. 55 und zu den Klaviersonaten „Appassionata“ op. 57 und der „Waldsteinsonate“ op. 53. Dies wirft ein besonderes Licht auf die Ecksätze der Kreutzer-Sonate, denn in auch in den drei erwähnten Werken spielt ein virtuos-konzertanter Durchbruch in Beethovens Schaffen eine wesentliche Rolle. Beim zweiten Satz handelt es sich um Variationen über ein ausgesprochen liedhaftes Thema. Auch hier springt die direkte zeitliche Verwandtschaft zu Beethovens berühmtesten Lied Adelaide op. 46 ins Auge.

Der ursprüngliche Titel lautete: "Sonata mulattica". Denn Ludwig van Beethoven hatte dieses Werk im Mai 1803 in Wien mit dem mulattischen Geiger George Polgreen Bridgetower uraufgeführt. Er war 24 Jahre alt und Engländer mit afrikanischen Wurzeln. Ursprünglich hatte Beethoven geplant, diese Sonate Bridgetower zu widmen. Doch zwischen Beethoven und Bridgetower kam es zum Streit. Beethoven stand bereits seit 1798 mit dem französischen Violinvirtuosen Rodolphe Kreutzer in Kontakt - "ein guter, lieber Mensch" mit wohltuender "Anspruchslosigkeit und Natürlichkeit", und außerdem einer der größten Solisten seiner Zeit. Er entschied sich dafür, ihm anstelle von Bridgetower das Werk zu widmen. Doch ausgerechnet Kreutzer, mit dessen Name das Werk bis heute eng verbunden ist, hat diese Sonate wohl nie öffentlich gespielt und nannte sie „une torture pour l'instrument“ („eine Folter für das Instrument“) und „outrageusement inintélligible“(„bodenlos unverständlich“). 

Die Kreutzer-Sonate ist sozusagen das kammermusikalische Gegenstück zur "Eroica"-Sinfonie. Beide Werke sprengen die Grenzen dessen, was damals in den entsprechenden Gattungen üblich war - in ihrer Länge und in ihrer Ausdruckskraft. Die Sonate ist rund 40 Minuten lang und in jedem ihrer drei Sätze so kühn, dass die beiden Solisten bei der Uraufführung keinen Erfolg hatten. Das hat sich nachhaltig geändert. Längst gilt diese Sonate als ein Gipfelwerk der Kammermusik.

Joshua Bell und Yuja Wang spielten Beethovens Meisterwerk am 28. Juli 2010 beim Verbier Musikfestival in der Salle des Combins:

www.youtube.com/watch

Anne-Sophie Mutter und Lambert Orkis sind im folgenden Link zu sehen, der Mitschnitt entstand 1998 im Pariser Théatre des Champs-Eylsées:

www.youtube.com/watch

Von Beethovens Kreutzer-Sonate existiert auch eine Bearbeitung für Violine und Orchester von Richard Tognetti. Renaud Capucon und das Orchestre National de France musizierten diese Fassung am 9. Juli 2020 im Auditorium de Radio France, Paris:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von Matthias Wengler