Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
morgen ist Winteranfang - daher fällt meine Wahl heute auf Peter Tschaikowskys Sinfonie Nr. 1 g-Moll op. 13, die den Beinamen "Winterträume" erhielt.
1866 entschloß sich Tschaikowsky, seine erste Sinfonie zu komponieren, im Alter von 26 Jahren. Zu dieser Zeit unterrichtete er tagsüber am Moskauer Konservatorium, an seiner Sinfonie arbeitete er hauptsächlich nachts. Das zehrte sehr an seinen Kräften, die Folgen waren Schlaflosigkeit und Angstzustände.Tschaikowsky wurde stark von Selbstzweifeln gequält; er hatte die Befürchtung zu sterben, ohne eine einzige Sinfonie vollendet zu haben. Sein Arzt glaubte ihn "am Rande des Wahnsinns" und verbot die Nachtarbeit. So konnte der Komponist das Werk erst in den darauffolgenden Sommerferien, die er auf dem Land in der Nähe von St. Petersburg verbrachte, vollenden.
Moskau, 15. Februar 1868: Peter Tschaikowskys erste Sinfonie wird mit beachtlichem Erfolg unter der Leitung von Nikolai Rubinstein uraufgeführt. "Winterträume" heißt sie - schockgefrostete Momentaufnahmen und impressionistisch neblige Klangbilder reihen sich aneinander: Schnee funkelt in der fahlen Wintersonne, ein Pferdeschlitten gleitet durch ein lichtes Birkenwäldchen. Eisblumen wachsen an der Fensterscheibe, in der Stube brodelt der Samowar. Tschaikowsky macht dem berühmt-berüchtigten russischen Winter mit all seinen Erscheinungen eine stimmungsvolle Liebeserklärung. Das Publikum war nach der Uraufführung begeistert - und Tschaikowsky auch: Auf der anschließenden Feier soll er vor Freude alle Anwesenden abgeküsst und sämtliche Gläser zerschlagen haben.
Im Gegensatz zu den Sinfonien Nr. 4 - 6, die zu den absoluten Publikumsfavoriten im Konzertsaal zählen, werden die ersten drei eher selten aufgeführt. Zwei Konzertmitschnitte stelle ich Ihnen heute gerne zur Auswahl, beide mit dem Dirigenten Paavo Järvi. Hier zunächst das hr-Sinfonieorchester, aufgezeichnet am 14. Dezember 2012 aus der Frankfurter Alten Oper:
Derzeit ist Paavo Järvi Chefdirigent des Züricher Tonhalle-Orchesters. Die Corona-Pandemie hat die geplante Gesamteinspielung der Tschaikowsky-Sinfonien beschleunigt, die Aufnahmen sind kürzlich erschienen. Die erste Sinfonie wurde am 22. Januar 2021 ohne Publikum in der Tonhalle Maag in Zürich aufgezeichnet:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler