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09.02.2022 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten - 285

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
 
unser heutiges Musikstück ist untrennbar mit einer der berühmtesten Szenen der Filmgeschichte verbunden: Bernard Herrmanns Musik zu Alfred Hitchcocks Thriller "Psycho". Beide bildeten wohl das erste optimal aufeinander abgestimmte Duo aus Regisseur und Komponist. Ab Mitte der 1950-er Jahre stieg der für seine psychologischen Porträts bekannte New Yorker zum musikalischen Leiter des Masters of Suspense auf. 
 
Mit "Psycho" erreichte die Zusammenarbeit 1960 ihren Höhepunkt. Der Soundtrack fällt entscheidend für die Wirkung des Films aus, Herrmanns Musik hatte am Erfolg dieses Films maßgeblichen Anteil. Ursprünglich wollte Hitchcock aus Enttäuschung über das Gesamtergebnis den Film auf eine einstündige Episode für seine Fernsehserie „Alfred Hitchcock presents“ zusammenschneiden. Doch erst die Intervention des Komponisten konnte den Regisseur umstimmen. Bernard Herrmanns Entscheidung, für die Vertonung des Films ausschließlich ein Streichorchester zu verwenden, galt als bahnbrechend. Die kleine Streicherbesetzung harmoniert ideal mit den etwas aus der Zeit gefallenen Schwarz-Weiß-Bildern.
 
Noch bevor der Film irgendeines seiner Handlungselemente etabliert hat, nimmt er im Vorspann die kommenden Geschehnisse musikalisch vorweg. Bereits hier vermittelt die Musik einen ebenso gehetzten wie obsessiven Charakter. Dieser wird in der berühmten Duschszene auf die Spitze getrieben. Ursprünglich hatte Hitchcock für den Mord an Marion Crane (Janet Leigh) keine Musik vorgesehen, doch Bernard Herrmann vertraute seinem Instinkt, ignorierte seinen Arbeitgeber und überraschte ihn schließlich mit den berühmten frenetischen Geigen, die zu den meistzitierten Motiven der Filmmusik gehören dürften. Die Musik spiegelt sowohl die Schreie der überraschten Marion Crane als auch die Vorwärtsbewegung der zustechenden Klinge des im Schatten verborgenen Täters wider. Hitchcocks geniale Bildmontage spart den eigentlichen Mord aus, die Musik lässt den Zuschauer jedoch förmlich die Messerstiche spüren. Es sind in dieser Szene zu einem großen Teil Herrmanns nervenaufreibende Klänge, die dazu führen, dass man schlimmere Bilder gesehen zu haben glaubt, als tatsächlich auf der Leinwand zu erblicken waren. 

Bernard Herrmanns Score ist weit von wohlfeiler, redundanter Begleitmusik entfernt, was dem selbstbewussten New Yorker durchaus bewusst war: "Hitchcock beendet einen Film nur zu 60 %: Ich muss ihn für ihn fertigstellen." Auch wenn sich ihre Wege 1966 im Streit trennten, erkannte Hitchcock die Bedeutung seines langjährigen Stammkomponisten für sein Werk an. So setzte er ihn in den Opening Credits vor sich an die vorletzte Position und adelte ihn zudem mit der Feststellung: "33% der Wirkung von "Psycho" ist auf die Musik zurückzuführen." 
 
Falls jemand Hitchcocks Meisterwerk nicht kennen sollte - hier zunächst ein Trailer des Films:
 
www.youtube.com/watch

Und nun zur großartigen Musik von Bernard Herrmann - das BBC Concert Orchestra spielte am 12. August 2011 im Rahmen der BBC Proms eine Suite aus "Psycho" unter der Leitung von Keith Lockhart in der Londoner Royal Albert Hall:

www.youtube.com/watch

Und zum Abschluss noch ein Vergleich - 2013 ist Filmmusik-Spezialist John Wilson mit seinem Orchester ebenfalls bei den Londoner Proms aufgetreten. Im Programm "Hollywood Rhapsody" erklang ebenfalls Bernard Herrmanns "Psycho"-Suite:

www.youtube.com/watch

Beitrag von Red