Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
1925 erschien ein Roman von DuBose Heyward, der auf den Beobachtungen des Lebens von Arbeitern im Werftbezirk von Charleston/South Carolina basiert - Titel des Romans: "Porgy". 1926 hatte George Gershwin diesen Roman geschenkt bekommen und sofort verschlungen - und rund 10 Jahre später entstand aus dieser Vorlage eine Oper, die das amerikanische Musiktheater entscheidend prägen sollte: "Porgy and Bess".
Der Inhalt, sehr knapp zusammengefasst: Porgy, ein verkrüppelter Bettler, liebt die schöne, aber labile Bess - so sehr, bis er für sie mordet. Sie wiederum schwankt zwischen ihm und zweifelhaften anderen Männern. Das Werk endet offen, allein mit der Gewissheit, dass die Protagonisten auf dieser Welt kein Glück mehr finden werden. Und wie in anderen großen Opern ist selbst in den Liebesszenen eine Ahnung des tragischen Endes bereits eingewoben.
Die große Oper, die große Liebesgeschichte mit der kleinen Tragödie sollte es werden, eine „Volksoper“ mit viel Alltag und großen Gefühlen. Bisher hatte George Gershwin Songs, Orchesterstücke, Musicals geschrieben. Nun also eine durchkomponierte Oper mit gesungenen Rezitativen, Arien und Ensembles. Die Metropolitan Opera, das erste Haus am Platz, hatte ein Stück über New York bestellt. Aber Gershwin spürte, dass die amerikanische Oper, die ihm eigentlich vorschwebte, dort nicht hinpasste. Mehrmals reiste er nach Charleston, um die Atmosphäre der Stadt zu atmen. Das Frühjahr 1934 verbrachte er auf einer Insel vor der Küste, lebte dort mit den Bewohnern, studierte ihre teils noch unverfälscht afrikanische Kultur. Beim Libretto half Heywards Frau Dorothy, bei den Liedtexten Gershwins Bruder Ira. Was Gershwin als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer mit „Volksoper“ meinte, beschrieb er später so: „"Porgy and Bess" ist eine Geschichte aus dem Volk, und die Musik, die die Leute darin machen, ist natürlich Volksmusik ... Weil ich die Musik ganz aus einem Guss haben wollte, komponierte ich meine eigenen Spirituals und Volkslieder. „Porgy and Bess“ handelt von dem Leben der Neger in Amerika. Deshalb gibt es darin Elemente, die es bisher noch in keiner Oper gab.“
20 Monate arbeitete Gershwin an der Oper, instrumentierte sie selbst. Nach der Vorpremiere am Colonial Theatre in Boston am 30. September 1935 hatte die Oper am 10. Oktober am New Yorker Alvin Theatre ihre Broadway-Premiere. Die Produktion war nur mäßig erfolgreich; der Kritiker Virgil Thomson urteilte harsch: „Hier hat jemand, der es niemals hätte versuchen dürfen, über ein Thema, das niemals hätte gewählt werden dürfen, und mit Hilfe eines Librettos, das niemals hätte akzeptiert werden dürfen, ein Werk komponiert, dem man eine gewisse Kraft und Bedeutung nicht abstreiten kann.“
Den Durchbruch brachte erst die zweite Aufführungsserie 1942, fünf Jahre nach Gershwins frühem Tod - mit nur 38 Jahren starb der Komponist 1937 an den Folgen eines Tumors. Die Europäische Erstaufführung fand 1943 als Akt des Widerstands im von den Nazis besetzten Kopenhagen statt. Gershwins „Porgy and Bess“ wurde Vorbild für Kurt Weills Oper „Street Scene“ und für Leonard Bernsteins „West Side Story“. Beide Stücke spielen in New York. Dorthin zieht es am Ende auch Porgy auf der Suche nach Bess.
Robert Russel Bennett, Dirigent und Arrangeur, schuf aus der Partitur 1956 sein Arrangement „Porgy and Bess – A Concert of Songs“ für Sopran, Bariton, Chor und Orchester. Es vereint die beliebtesten Melodien der Oper, wobei die beiden Solisten auch die Partien der Nebendarsteller zu übernehmen haben. Zum Saisonauftakt der Spielzeit 2019/20 war diese Fassung am 13. September 2019 in der Frankfurter Alten Oper zu erleben - es musizierten Adina Aaron (Sopran), Musa Ngqungwana (Bass-Bariton), der Cape Town Opera Chorus und das hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Andrés Orozco-Estrada.
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Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler