Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
falls Ihnen die heutige Ausgabe spanisch vorkommen sollte, ist dies beabsichtigt, denn heute dreht sich alles um Manuel de Fallas "Nächte in spanischen Gärten".
Entstanden während seines langjährigen Aufenthalts in Paris, sind diese drei sinfonischen Impressionen für Klavier und Orchester ein expressives Werk, das die südspanischen Gärten, die in europäischer und arabisch-maurischer Tradition angelegt sind, musikalisch zum Leben erweckt.
"In Paris habe ich 7 unvergessliche Jahre verbracht. Debussy, Ravel, Schmitt und Dukas waren meine besten Freunde, besonders Dukas. Er trieb mich zum Komponieren an, er machte meine Werke in Paris bekannt. Dort habe ich meine "Nächte in spanischen Gärten" geschrieben – ich war so fern von Spanien, dass ich die Nächte vielleicht noch schöner machte, als sie in Wirklichkeit sind – das liegt an Paris“, erinnerte sich Manuel de Falla in seinem Todesjahr 1946. Mit 31 Jahren war der Spanier 1907 in die Seine-Metropole gekommen, und er blieb dort bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Es gab mehrere Schlüsselerlebnisse für den Komponisten, der später die spanische Musik des 20. Jahrhunderts schlechthin verkörpern sollte. In seiner Geburtsstadt Cadiz erlebte er mit sieben Jahren eine Aufführung von Joseph Haydns „Sieben Worte des Erlösers am Kreuze“, die der Wiener Klassiker einst für die spanische Hafenstadt geschrieben hatte. Die Einflüsse auf den jungen Spanier, der sich schließlich in Madrid in den Fächern Klavier und Komposition ausbilden ließ, waren vielfältig. Zeitlebens bewahrte de Falla eine Liebe für die Klaviermusik Frédéric Chopins, ferner lernte er die italienische Opernmusik kennen und studierte die französische Musik, die sein Schaffen nachhaltig prägen sollte.
In Madrid begann de Falla Zarzuelas (spanische Singspiele) zu komponieren. Besonderen Einfluss erhielt sein Schaffen durch die Begegnung mit Felipe Pedrell, der auch der Lehrer von Isaac Albéniz und Enrique Granados war. Durch Pedrell war de Falla mit der altspanischen Musik in Berührung gekommen, und heimatliche Volksmelodien haben sein Schaffen nachhaltig geprägt. Zwei Jahre nach der Übersiedlung nach Paris begann Manuel de Falla 1909 mit der Ausarbeitung einer deutlich spanisch inspirierten Komposition, die eine bemerkenswerte Entstehungsgeschichte aufzuweisen hat. Die „Nächte in spanischen Gärten“ waren zunächst als drei einzelne Nocturnes für Klavier skizziert worden, wobei Claude Debussy als Vorbild diente. Die Idee, das musikalische Material zu einem sinfonischen Werk auszuweiten, stammte von dem Pianisten Ricardo Viñes und dem Komponisten Isaac Albéniz. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren die „Nächte“ noch nicht vollendet, ihre Fertigstellung erfolgte erst nach der Rückkehr nach Spanien.
Die "Nächte in spanischen Gärten" sind eine Liebeserklärung an Andalusien. Der erste Satz "En el Generalife" (Im Generalife) malt ein Bild der bei Granada gelegenen Sommerresidenz der maurischen Könige, wobei de Falla, wie er später zugegeben hat, zum Zeitpunkt der Komposition diesen Ort noch nie besucht hatte und er sich nur von Gedichten und Bildern habe inspirieren lassen. Und dennoch: Wie er die andalusischen Themen mit arabischem Musikgut mischt und das Ganze in einen impressionistischen Orchesterklang hüllt, meint man vor seinen Augen das alte Schloss zu sehen, das Mondlicht über den Gärten und Palästen von Generalife, die Dächer der Moscheen und Hütten. Im zweiten Satz "Danza lejana" (Ferner Tanz) erinnert das Pizzicato der tiefen Streicher an Gitarrenklänge und Zigeunertänze, während im fernen, verhangenen Klang der Melodien ein melancholischer Grundzug durchschimmert.
Der dritte Satz "En los jardines de la Sierra de Córdoba" (In den Gärten des Berglands von Córdoba) mündet schließlich in einem wirbelnden Tanz, der sich als andalusischer Polo oder zigeunerischer Sambra identifizieren lässt. Über die musikalischen Quellen und eine detaillierte Ausdeutung der Überschriften hat de Falla sich in Schweigen gehüllt; im Programmheft zur Uraufführung 1916 in Madrid schrieb der Komponist: "Wenn der Komponist dieser sinfonischen Impressionen für Klavier und Orchester sein selbstgestecktes Ziel erreicht hat, müsste allein die Aufzählung der Titel als Anleitung für den Zuhörer ausreichen."
Die äußerliche Gestalt ist die eines dreisätzigen Klavierkonzerts, wobei das Klavier trotz aller technischen Anforderungen und der brillanten Passagen nicht die Funktion eines eigenständigen Soloinstruments übernimmt, sondern als Teil des Orchesterapparats in den sinfonischen Klang eingewoben wird.
Heute kann ich Ihnen wieder einmal eine Aufführung empfehlen, bei der ich im Publikum saß. Im April 1997 begann mein Kirchenmusikstudium in Köln, und gleich in den ersten Wochen war Köln Schauplatz der zweiten Ausgabe der Musik-Triennale, bei der sich die großen Orchester und Dirigenten aus aller Welt reihenweise die Klinke in die Hand gaben. Eine ganze Woche blieb das Chicago Symphony Orchestra Anfang Juni in Köln und begeisterte das Publikum mit drei verschiedenen Konzertprogrammen, darunter auch ein Gershwin-Open-Air-Konzert auf dem Roncalliplatz, direkt neben dem Kölner Dom. Auf dem Programm des letzten Abends stand in der Philharmonie dann auch Manuel de Fallas "Nächte in spanischen Gärten". Sehr kurzfristig hatte man auf Vermittlung von Daniel Barenboim, der hier den Solopart spielt, noch einen prominenten Dirigenten gewinnen können: Placido Domingo, der in der vergangenen Woche seinen 80. Geburtstag feiern konnte - hier der Mitschnitt:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler