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30.08.2021 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten

Folge 219

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,


wenn man an ein klassisches Musikstück denkt, das mit dem Studentenleben in Verbindung steht, kann man eigentlich nur auf die Akademische Festouvertüre c-Moll op. 80 von Johannes Brahms kommen.

Im März 1879 war dem 46-jährigen Johannes Brahms die Ehrendoktorwürde der Universität Breslau verliehen worden. „Artis musicae severioris in Germania nunc princeps“: So zeichnete die Ernennungsurkunde der Universität Breslau den Komponisten Johannes Brahms aus und nannte ihn den „in der ernsteren Musik in Deutschland den an erster Stelle Stehenden.“ Bereits nach einer Woche bat der mit dem Komponisten befreundete Breslauer Musikdirektor Bernhard Scholz: „Willst Du uns nicht eine Doktor-Sinfonie für Breslau schreiben? Einen feierlichen Gesang erwarten wir mindestens.“ 

Johannes Brahms ließ sich jedoch Zeit und schrieb auch keine „Doktor-Sinfonie“, sondern vollendete im folgenden Jahr während des Sommerurlaubs in Bad Ischl die Akademische Festouvertüre c-Moll op. 80. Im August 1880 schrieb Brahms an Bernhard Scholz: „Damit Du Dich nicht allzu sehr mit Deinem Gaste blamierst, habe ich für den 4. Januar eine Akademische Fest-Ouvertüre geschrieben. Der Name gefällt mir nicht grade, fällt Dir ein andrer ein?“ Scholz fand den Namen „verflucht akademisch und langweilig“ und schlug den Titel "Viadrana" vor, doch weil Brahms den lateinischen Namen für die Oder „für gar so unbekannt“ hielt, behielt der erste Vorschlag seine Gültigkeit. 

Die Akademische Festouvertüre führt nach einem fast schon zu düsteren Beginn und einem schnellen Hauptteil zu einer strahlenden Maestoso-Coda mit Trommel-, Becken- und Triangelschlägen, dazu umrauscht von lebhaften Streicherpassagen. Im Verlauf der Komposition erklingen vier Studentenlieder, die Brahms dem „Commers-Buch für den deutschen Studenten“ von 1861 entnommen hatte. Mit den Gesängen „Wir hatten gebaut ein stattliches Haus“, „Hört, ich sing das Lied der Lieder“, „Was kommt dort von der Höh’“ und dem Lied aller Studentenlieder „Gaudeamus igitur“ erzählt Brahms eine Geschichte studentischen Lebens mit überschäumendem Spaß, bei dem sich auch alle „alten Herren“ nur ausschütten können vor Lachen. In der Coda lässt Brahms strahlend das „Gaudeamus igitur“, ein Lobpreis auf Genuss und Lebensfreude aus dem 13. Jahrhundert, erklingen. Dass ein Coda-Thema, das für die Komposition zuvor noch keinerlei Bedeutung gehabt hatte, plötzlich so markant hervortritt, war für das Schaffen von Johannes Brahms äußerst ungewöhnlich. Die Akademische Festouvertüre nimmt auch deshalb in seinem Schaffen eine Sonderstellung ein. Brahms dirigierte das Werk am 4. Januar 1881 in Breslau. 

Im folgenden Link sehen Sie Leonard Bernstein mit den Wiener Philharmonikern, aufgezeichnet im Oktober 1981 im Wiener Musikverein:

www.youtube.com/watch

Bei der Last Night of the Proms in der Londoner Royal Albert Hall erklang 1992 eine Fassung von Sir Malcolm Sargent, in der am Schluss das "Gaudeamus igitur" von einem Chor gesungen wird. Sir Andrew Davis leitet den BBC Chorus und das BBC Symphony Orchestra:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Urlaubsgrüßen von der Nordsee

Matthias Wengler

Beitrag von Matthias Wengler