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28.10.2021 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten

Folge 242

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,

die Opern Richard Wagners sind eng mit dem Bayreuther Festspielhaus verbunden. Zu Lebzeiten des Komponisten und seiner Ehefrau Cosima war ohnehin klar, dass nichts anderes als dessen Musikdramen gespielt werden. Diese Tradition führte Wagners Sohn fort. In seinem Testament aus dem Jahr 1929 legte Siegfried fest, dass in Bayreuth nur Werke seines Vaters aufgeführt werden dürfen. Und so wird bis heute, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - Beethovens neunte Sinfonie ist erlaubt -, auf dem Grünen Hügel ausschließlich Wagner gespielt. Jedoch nicht der ganze Wagner. Seine ersten drei Opern "Das Liebesverbot", "Die Feen" und "Rienzi" hat Wagner selbst für nicht Bayreuth-würdig befunden, deshalb werden sie bis heute ausgespart. 

Eines dieser Frühwerke ist unser heutiges Musikstück: Die Ouvertüre zur Oper "Das Liebesverbot". Die Oper klingt beim ersten Anhören wie die am meisten vom Süden beeinflusste Oper Wagners. Besonders deutlich wird das in der überschäumenden Vitalität der Ouvertüre, deren funkelnder Ton unmittelbar von Kastagnetten, Triangel und Tamburin angegeben wird.

Nach seinem Musikstudium in Leipzig kam Richard Wagner 1833 als Chorleiter an die Würzburger Oper. Ein Jahr darauf wurde er musikalischer Leiter in der Theatertruppe von Heinrich Bethmann, mit der er vor allem deshalb nach Magdeburg ging, weil die Schauspielerin Minna Planer darauf bestand. Dieser folgte Wagner dann auch nach Königsberg, wo die beiden im November 1836 heirateten.

"Das Liebesverbot", oder "Die Novizin von Palermo" nach William Shakespeares "Maß für Maß" wurde 1836 vollendet und erlebte in Magdeburg eine äußerst erbärmliche Aufführung. Der Einsatz der Kastagnetten und des Tamburins markieren den Schauplatz Palermo, die Themen selbst sind in leitmotivischer Manier mit den Charakteren der Handlung verbunden. Sich Shakespeares Stoff als Vorlage zu nehmen, war nicht ohne Risiko. Vielleicht hat Wagner die Handlung, die sich ja nur um Liebe, Erotik, körperliche Liebe und verlogene Puritaner dreht, von Wien nach Palermo versetzt, dass sie weit genug entfernt war, um der Zensur nicht allzu sehr aufzufallen. Denn da ist schon in hohem Maße behandelt, was später im „Tannhäuser“ als schwere Tragödie Gestalt gewann - der Eros (der ihn persönlich stets begleitet hat) und Wagners Protest gegen jegliche Einschränkungen: Friedrich, der königliche Statthalter von Sizilien, hat jede Unmoral, mithin auch jede Liebesbeziehung verboten. Diesem Dekret verdankt der junge Claudio seine Verurteilung. Die junge Novizin Isabella soll bei Friedrich um Gnade ersuchen, und dieser zeigt sich sogar bereit, der Bitte zu entsprechen, vorausgesetzt, das Mädchen erwidert seine Gunst. Bevor es so weit kommt, tritt eine andere Novizin an Isabellas Stelle - Friedrichs ehemalige Ehefrau Mariana. Die Heucheleien des Regenten kommen bei einer Karnevalsfeier ans Licht, die er untersagt hatte, und mit der Rückkehr des Königs wird auch ein gewisses Maß an emotionaler Freiheit wiederhergestellt. 

In seiner Autobiographie "Mein Leben" schreibt Wagner, dass man die zweite Aufführung, die ohnehin vor einem praktisch leeren Hause stattfand, habe abbrechen müssen, weil der Tenor, der den Claudio sang, vom eifersüchtigen Ehemann der Primadonna zusammengeschlagen worden war.

Hier also die Ouvertüre zur Oper "Das Liebesverbot", die ganz und gar nicht nach Richard Wagner klingt: Daniel Harding dirigierte am 16. Juli 2011 das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auf dem Münchner Odeonsplatz:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von Matthias Wengler