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14.07.2021 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten

Folge 199

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,

Beethovens neun Sinfonien sind auch nach zweihundert Jahren noch immer Dreh- und Angelpunkt der Musikgeschichte. Mit seiner Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21, die heute im Mittelpunkt steht, beginnt Beethovens sinfonisches Schaffen, das den nachfolgenden Komponistengenerationen Kopfzerbrechen bereiten sollte.


Ludwig van Beethoven war 29 Jahre alt, als er seine erste Sinfonie komponierte - ein durchaus später Start im Vergleich zu Mozart, der bereits im Alter von acht Jahren seine ersten Werke innerhalb dieses Genres schrieb. Allerdings stand der gebürtige Bonner Beethoven zu Beginn seines sinfonischen Schaffens mehr unter Druck, einen eigenen Ton zu finden, als Mozart seinerzeit: Hatte er doch die Londoner Sinfonien Haydns und die letzten Sinfonien Mozarts im Rücken, die bereits die Ansprüche an die Gattung deutlich in die Höhe getrieben hatten.

Bereits in Beethovens Erster wird eine persönliche, neue und mutige Ausdrucksweise deutlich. Mut gehört in der Tat dazu, ein Werk so zu beginnen: Mit einem dissonanten Akkord beginnt die Sinfonie, das war eine regelrechte Revolution in der Sinfonik. Selten ist in der Musikgeschichte so unüberhörbar ein neues Kapitel aufgeschlagen worden wie an diesem 2. April 1800, als Beethoven das Werk im Wiener Burgtheater vorstellte. 


In Länge, Besetzung und Stil erinnert diese Sinfonie noch an Haydn und Mozart. Dennoch demonstriert Beethoven hier bereits seinen sehr individuellen Umgang mit musikalischen Elementen wie Motivik und Form. Nach dem Überraschungsmoment mit dem spannungsgeladenen Dominantseptakkord - der weitergeführt, aufgelöst sein will - führt die langsame Einleitung die Zuhörer weniger ins Stück hinein als vielmehr aufs Glatteis: Durch Trugschlüsse, Vorhalte und chromatische Verschiebungen verschleiert Beethoven die eigentliche Grundtonart. Umso energischer wirkt das Hauptthema, das mit einer federnden Punktierung vorwärts drängt. Ihm gegenüber steht ein ruhiges Seitenthema, das auf ähnlichen musikalischen Bausteinen basiert - eine Verzahnung, wie sie für Beethoven typisch ist.

Ein delikates Solo der zweiten Geigen eröffnet den langsamen Satz, der an ein höfisches Menuett erinnert. Beethoven beweist Originalität, indem er Pauken und Trompeten im Pianissimo als dezente Begleitung einsetzt. Der dritte Satz ist dann zwar als Menuetto überschrieben, ist in seinem schnellen ganztaktigen Pulsieren jedoch unzweifelhaft ein Scherzo. Für den vierten Satz hält Beethoven eine ähnliche Pointe bereit wie für den Beginn der Sinfonie und spannt sein Publikum mit einer langsamen Einleitung auf die Folter. In mehreren zaghaften Anläufen erklimmen die Violinen Ton für Ton eine Tonleiter, die sich als Auftakt zu einem gut gelaunten Finalthema entpuppt. So zeichnen sich unter der vermeintlich konventionellen Oberfläche bereits jene Entwicklungen ab, die die Gattung Sinfonie revolutionieren und Ludwig van Beethoven seine einzigartige Stellung in der Musikgeschichte sichern sollten.

Unter der Fülle von Konzertmitschnitten habe ich mich für eine Aufführung aus Berlin entschieden: Die Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker spielte Beethovens Erste am 9. November 2019 im Kammermusiksaal der Philharmonie unter der Leitung von Cornelius Meister:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von Matthias Wengler