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15.10.2021 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten

Folge 239

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,


heute soll die Chormusik wieder einmal zu ihrem Recht kommen. Ein Stück, das ich immer wieder gerne aufs Programm setze, ist die Messe D-Dur op. 86 von Antonin Dvořák.

Entstanden ist sie zwischen dem 26. März und 17. Juni des Jahres 1887 auf Wunsch des Architekten und Gründers der Tschechischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Josef Hlávka, in einer Fassung für Soli, Chor und Orgel. Hlávka wollte eine neuerbaute Kapelle in seinem Schloß in Lužany (Böhmen) festlich einweihen lassen und fand in Antonín Dvořák einen idealen Partner für diesen Auftrag. Der Komponist hatte sich zu jener Zeit bereits über die Grenzen seiner tschechischen Heimat hinaus einen großen Namen gemacht und war verschiedentlich mit geistlichen Werken hervorgetreten, u. a. mit dem Stabat Mater (1876/77).

Das Werk zeugt von Dvoráks Kunstfertigkeit, einen sakralen Text musikalisch zu fassen und gleichzeitig die heitere, unbeschwerte Atmosphäre der böhmischen Landschaft und die Schlichtheit eines wahrhaft und tief religiös verwurzelten Landvolkes einzufangen, ohne sich dabei aber in folkloristischen Vereinfachungen zu verlieren. In einem Brief an seinen Auftraggeber vom 17. Juni 1887 berichtete Dvořák: "Sehr geehrter Herr Rat und lieber Freund. Ich habe die Ehre Ihnen mitzuteilen, dass ich die Arbeit glücklich beendet habe und dass ich große Freude daran habe. Ich denke, es wird ein Werk sein, das seinen Zweck erfüllen wird. Es könnte heißen: Glaube, Hoffnung und Liebe zu Gott dem Allmächtigen und Dank für die große Gabe, die mir gestattete, dies Werk zum Preis des Allerhöchsten und zur Ehre unserer Kunst zu beenden. Wundern Sie sich nicht, dass ich so gläubig bin - aber ein Künstler, der es nicht ist, bringt nichts solches zustande. Haben wir denn nicht Beispiele an Beethoven, Bach, Rafael und vielen anderen? Schließlich danke ich auch Ihnen, dass Sie mir die Anregung gaben, ein Werk in dieser Form zu schreiben, denn sonst hätte ich kaum je daran gedacht; bisher schrieb ich Werke dieser Art nur in großem Ausmaße und mit großen Mitteln. Diesmal aber schrieb ich nur mit bescheidenen Hilfsmitteln und doch wage ich zu behaupten, dass mir die Arbeit gelungen ist."

Die Hoffnung des Komponisten, "mit diesem Werk in England ähnliche Erfolge zu erzielen wie mit dem Stabat Mater", erfüllten sich jedoch nicht. Der Uraufführung am 11. November 1887 in Lužany unter der Mitwirkung von Dvořák folgten bis Ende der 1880er Jahre nur noch drei weitere Aufführungen: am 15. April 1888 in Pilsen als öffentliche Erstaufführung sowie am 25. März und 16. April 1889 in Prag.

Diese anfänglich so geringe Resonanz des Werkes dürfte kaum auf die Qualität der Komposition zurückzuführen sein. Vielmehr scheinen dabei Aspekte der Gattung Messe eine entscheidende Rolle gespielt zu haben. Denn als Dvořák im Jahre 1889 dem Musikverlag Simrock seine Messe D-Dur zum Druck anbot, erhielt er als Antwort: "Mit einer Messe ist heutzutage gar nichts mehr zu machen - und die Herstellung des Materials ist so teuer für so ein umfangreiches Werk, dass man die Kosten nicht wieder herausbringt. Es kauft ja niemand eine Messe, und die paar Vereine, die das Werk etwa aufführen, sind nicht nennenswert den Kosten gegenüber."

Erst 1892, nachdem, wie Dvořák es selbst ausdrückte, Simrock ihn mit der Messe sitzengelassen hatte, fand sich in der Firma Novello & Company London ein Verleger, der Interesse an dieser Messe zeigte. Für den Druck allerdings stellte Novello die Bedingung, den Orgelpart der ursprünglichen Fassung durch eine eigenständige Orchesterbegleitung zu ersetzen. Dvořák schrieb das Werk noch vor seiner ersten Amerikareise zwischen März und Juni 1892 für Orchester um, dabei wurden der Vokalsatz und die musikalische Substanz der Begleitung unverändert beibehalten. Das zweitaktige Vorspiel des Kyrie ist die gegenüber der Orgelfassung einzige Hinzufügung des Komponisten. Eine längere Solopassage erhält die Orgel im Vorspiel zum Benedictus, sonst tritt sie nur begleitend in Erscheinung.

Die Uraufführung der Orchesterfassung erfolgte am 11. März 1893 im Londoner Crystal Palace unter der Leitung von August Manns. Dvořáks Messe erfreute sich nach ihrer Uraufführung großer Beliebtheit. Der Komponist selbst berichtet während seiner Zeit in Amerika von Aufführungen in New York, Saint Paul, Minneapolis und New Orleans.

Hier zunächst eine Aufführung der Orgelfassung vom 18. August 2020 aus der Pfarrkirche Sterzing in Südtirol. Es musizieren Chor und Solisten des Ensemble Inégal: Stanislava Mihalcová (Sopran), Nadia Ladkany (Alt), Ondřej Holub (Tenor) Roman Hoza (Bass) und Vladimír Roubal (Harmonium), die Leitung hat Adam Viktora:

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Zwei Aufführungen der Orchesterfassung möchte ich Ihnen ebenfalls empfehlen - zunächst aus dem TivoliVredenburg in Utrecht bom 19. September 2014. Es singen und musizieren Eva Hornyáková (Sopran), Janina Baechle (Mezzosopran) Benjamin Hulett (Tenor), Andrew Schroeder (Bariton), der Groot Omroepkoor und das Radio Filharmonisch Orkest unter der Leitung von Serge Baudo:

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Und zum Abschluss noch ein Mitschnitt mit dem Chor und Orchester der Sorbonne Université vom 9. Dezember 2015 aus dem Grand Amphithéâtre de la Sorbonne, die Solisten sind Clara Barbier (Sopran), Maïmiti Dinthongxay (Alt), Grégory Allou (Tenor), Kirill Gribov (Bass) und Thomas Tacquet (Orgel), die musikalische Leitung hat Vincent Barthe:

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In den kommenden vier Wochen erscheint "Musik in schwierigen Zeiten" nur zweimal, jeweils dienstags folgt dann aber eine Ausgabe von "Faszination Klassik"@Home.

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von Matthias Wengler