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13.12.2021 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten

Folge 260

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,

was ist schlimmer als eine Blockflöte? Zwei Blockflöten! - Mit diesem oft zitierten Musikerkalauer lebt die Blockflöte (und ihr Ruf) nun schon seit Jahrhunderten. Dennoch: Für Millionen Menschen ist dieses Instrument die erste Wahl, um selbst zu musizieren. Die Ergebnisse können einerseits große Enttäuschung, andererseits aber auch noch viel mehr Lust auf Musik und Musizieren in einer Gruppe wecken. Auch mein erstes Instrument war die Blockflöte, irgendwann standen bei mir aber doch die Tasteninstrumente Klavier und Orgel im Mittelpunkt.

Ein wunderbarer Botschafter dieses Instruments ist seit vielen Jahren der Flötist Maurice Steger. Seit einiger Zeit arbeitet er regelmäßig mit dem Staatsorchester Braunschweig zusammen. Erst kürzlich hat er wieder in unserer Region gastiert - am vergangenen Freitag ist er mit der NDR-Radiophilharmonie Hannover als Dirigent und Solist aufgetreten. Mit seinem temperamentvollen und virtuosen Spielart begeistert er mich schon seit vielen Jahren, für mich ist er der Louis de Funès der Blockflöte - wenn Sie ihn in Aktion sehen, verstehen Sie vielleicht, was ich meine - Kurz und gut: Es gibt genug Gründe, ihm und seinem Instrument die heutige Ausgabe zu widmen. Im folgenden Link stellt Maurice Steger sein Instrument näher vor:

www.youtube.com/watch

Zwei Barockwerke möchte ich Ihnen heute noch empfehlen - unter den zahlreichen Violinkonzerten von Antonio Vivaldi befinden sich auf Transkriptionen für Blockflöte. Im folgenden Link musiziert Maurice Steger gemeinsam mit der Cappella Gabetta Vivaldis Concerto B-Dur RV 375 - und wer danach noch immer das Vorurteil pflegt, die Blockflöte sei ein langweiliges Instrument, dem ist nicht mehr zu helfen:

www.youtube.com/watch

Als anno 1723 die Freie Reichsstadt Leipzig Johann Sebastian Bach zum Thomaskantor berief, schien das Glück des 38-Jährigen perfekt. Aber was sich aus der Köthener Ferne, wo Bach seit dem Jahr 1717 als Kapellmeister Herzog Leopolds in höfischen Diensten stand, so begehrenswert ausgenommen hatte, erwies sich schon bald weniger als Traum denn als Albtraum. Querelen mit der vorgesetzten Behörde machten ihm das Leben zur Qual. Um jeden Chorsänger und Orchesterspieler musste er bitter kämpfen. Zudem fiel - obwohl das Amt des Thomaskantors im deutschsprachigen Raum als einer der repräsentativsten musikalischen Posten galt - sein Gehalt so niedrig aus, dass er sich ständig mit materiellen Sorgen herumzuschlagen hatte. Und all das bei einem Arbeitspensum, das jedem anderen Musiker die Schweißperlen auf die Stirn getrieben hätte. 

Was seine Leipziger Galeerenjahre jedoch merklich versüßte, waren allerlei private Musikprojekte. Beispielsweise die Arbeit mit dem Collegium musicum, einer Musiziergemeinschaft aus begeisterten, vorwiegend studentischen Amateurmusikern, mit denen Bach einmal in der Woche im Kaffeehaus probte. "Ein unschuldiger Zeitvertreib", so Bach, "theils um das von Amtsgeschäften ermüdete Gemüth zu erquicken, theils um die Music durch ein beständiges Exercitium zu desto mehreren Wachstum zu bringen." Und - so könnte man ergänzen - um die erarbeiteten Werke hernach in öffentlichen Konzerten zu Gehör zu bringen, die damals noch keineswegs selbstverständlich waren, und so en passant nicht nur sein knapp bemessenes Gehalt aufzubessern, sondern auch seine zum Gutteil schon in Köthen verfassten Instrumentalwerke publik zu machen. 

Zu diesen Werken gehörten auch die sechs Concerts avec plusieurs instruments, die Bach - daher die griffige Bezeichnung "Brandenburgische" - um das Jahr 1720 dem in Berlin residierenden Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg gewidmet hatte. Die den Tutti-Streichern gegenübergestellte Solistengruppe, das Concertino, besteht im vierten, dem G-Dur-Konzert aus zwei Blockflöten und einer Violine. 


Zum Abschluss heute also Johann Sebastian Bachs Brandenburgisches Konzert Nr. 4 G-Dur BWV 1049 mit Andrés Gabetta (Violine) Maurice Steger und Laura Schmid (Blockflöte) und der Cappella Gabetta, 2016 aufgezeichnet beim Hochrhein Musikfestival:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von Matthias Wengler