Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
die heutige Ausgabe ist einem Instrument gewidmet, das selten im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht: Das Triangel. Der Kabarettist Georg Kreisler hat diesem Instrument in seinem gleichnamigen Chanson ein musikalisches Denkmal gesetzt:
Sie sehen: Das Triangel ist nicht unbedingt das Instrument, das sich für ein ganzes Konzert eignet - dennoch: Es gibt ein Stück, das als "Triangel-Konzert" in die Musikgeschichte eingegangen ist: Franz Liszts Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur. Liszt weist dem Instrument hier durchaus eine prominente Rolle in solistischer Funktion zu. Aber Ruhm und Ehre erntet am Ende dann doch der Pianist...
Schon mit 19 Jahren notierte Liszt erste Ideen – zu einer Zeit also, als er vornehmlich in Pariser Salons anzutreffen war. Immer wieder überarbeitete er das Stück, so dass die Uraufführung 25 Jahre auf sich warten ließ. Das Ergebnis war jedoch bestechend; schon der Aufbau dieses Konzertes ist bemerkenswert. Denn Liszt schrieb nicht, wie es für ein Konzert üblich wäre, drei Sätze, sondern vier - wie in einer Sinfonie. Entsprechend vielseitig ist das Themenmaterial und dessen Verarbeitung.
Bei der Uraufführung am 17. Februar 1855 im Weimarer Schloss hatte der Komponist einen berühmten Dirigenten als Partner an der Seite: Hector Berlioz. Der französische Komponist polarisierte im 19. Jahrhundert die Musikwelt mit seiner Auffassung einer programmatischen Musik, seine Symphonie fantastique ist das bekannteste Beispiel hierfür geworden. Von Berlioz ging damit die Idee der Sinfonischen Dichtung aus, die Liszt als Gattung entscheidend mitprägte.
Doch nicht nur auf inhaltlichem Gebiet standen sich Liszt und Berlioz nahe. Von Berlioz übernahm Liszt das Verfahren einer assoziativen Verknüpfung von musikalischen Themen, jener „idée fixe“, die den Künstler der Symphonie fantastique musikalisch beseelt. Davon ausgehend suchte Liszt gerade auch in seinem Klavierkonzert nach neuen Formen in der Musik. Sein erstes Klavierkonzert hält sich zwar äußerlich an die klassische Form, die einzelne Sätze gehen jedoch ineinander über und bilden trotz ihrer starken Kontraste eine Einheit. Sie werden vom heroischen Anfangsthema zusammengehalten, dessen punktierte Rhythmik sich sofort einprägt. Mehrmals taucht dieses Thema auch in den beiden anderen Sätzen wieder auf – verfremdet in Klangfarbe, Rhythmus und Tempo oder als kaum wahrnehmbar in den Orchestersatz verwoben.
Die konservativen Kreise der damaligen Kulturszene empfanden das Konzert als Affront. Sie fanden, Liszt hätte das Orchester viel zu wichtig genommen - im Vergleich zum Klavierpart. Auch der Kritiker Eduard Hanslick mochte Liszts Konzert nicht, von ihm stammt übrigens die Bezeichnung "Triangel-Konzert". Doch obwohl das Instrument in der Tat solistische Funktion im dritten Satz hat: am Ende bleibt, wie bei einer über die Maßen üppigen Silvesterrakete, vor allem der strahlende Glanz des Klaviers.
Meine heutige Empfehlung: Martha Argerich, die am 5. Juni ihren 80. Geburtstag feiert. Zusammen mit dem West Eastern Divan Orchestra unter der Leitung von Daniel Barenboim spielte sie Liszts Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur bei den BBC Proms in der Londoner Royal Albert Hall am 17. August 2016:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler