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28.09.2020 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten Folge 81

von Propsteikantor Matthias Wengler

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,

kennen Sie das Instrument "Arpeggione"? Das von Johann Georg Staufer

1823 erfundene Instrument wurde seinerzeit auch "Bogen-Gitarre",

"Guitarre-Violoncell" oder "Guitarre d’amour" genannt. Wahrscheinlich

wäre dieser "Zwitter" längst vergessen, hätte nicht Franz Schubert

eine Sonate für den Arpeggione komponiert. Diese Sonate steht im

Mittelpunkt des heutigen Newsletters.

Der Arpeggione war der Versuch, die leichte Spielbarkeit der Gitarre

mit der Klangpracht des Cellos zu verbinden: mit sechs Saiten und

Bünden genauso wie eine Gitarre ausgestattet, wurde der Arpeggione

aber wie ein Cello zwischen den Knien gehalten und mit dem Bogen

gestrichen. Durchsetzen konnte es sich nicht, nur im Museum finden

sich heute noch einzelne Instrumente, wie sie um das Jahr 1820 gebaut

wurden.

Der Musiker Vincenz Schuster war einer der wenigen begeisterten

Spieler des Arpeggione: klanglich laut Zeitgenossen in der Höhe einer

Oboe ähnlich und in der Tiefe einem Bassetthorn. Schuster war es

wahrscheinlich auch, der Schubert 1824 um eine Sonate für den

Arpeggione bat. Mit Schubert am Klavier hat er das Werk dann Ende

desselben Jahres uraufgeführt. Den Untergang des Arpeggione konnte er

dennoch nicht verhindern. Ich habe bei youtube jedoch tatsächlich

einen Musiker entdeckt, der den 1. Satz von Schuberts Werk mit dem

Arpeggione aufgenommen hat: Nicolas Deletaille, begleitet von Alain

Roudier:

https://www.youtube.com/watch?v=do9UgdfwM5Q

Die Sonate geriet nicht in Vergessenheit; Cellisten wie Bratscher

freuen sich bis heute, dass Schuberts Sonate ihr Repertoire

bereichert. "Ich fühle mich als den unglücklichsten, elendsten

Menschen auf der Welt", schrieb Schubert noch im März 1824 an seinen

Freund Leopold Kupelwieser. Den Sommer verbrachte der Komponist dann

im ungarischen Zseliz bei Graf Esterházy und dessen Familie.

Beschwingt kehrte er nach Wien zurück: "Schubert ist hier, gesund und

himmlisch leichtsinnig, neu verjüngt durch Wonne und Schmerzen und

heiteres Leben,“ berichtete Moritz von Schwind. Im November

komponierte er die Arpeggione-Sonate - es scheint, als ob sich

Schubert wechselvolles Jahr, durchzogen von Licht und Schatten sowie

Heiterkeit und Melancholie, in der Musik spiegelt.

Schuberts Sonate ist für Cellisten ein echte Herausforderung, denn die

originalen Fingersätze des Arpeggiones lassen sich kaum auf das Cello

übertragen. Dennoch gibt es kaum einen Cellisten, der dieses Werk

nicht im Repertoire hat. Im November 1992 spielte Yo-Yo Ma dieses Werk

gemeinsam mit Rudolf Firkusny in der Suntory Hall in Tokio, zusehen im

folgenden Link:

https://www.youtube.com/watch?v=6n7Jbe5f7EE

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von Matthias Wengler