Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
kennen Sie das Instrument "Arpeggione"? Das von Johann Georg Staufer
1823 erfundene Instrument wurde seinerzeit auch "Bogen-Gitarre",
"Guitarre-Violoncell" oder "Guitarre d’amour" genannt. Wahrscheinlich
wäre dieser "Zwitter" längst vergessen, hätte nicht Franz Schubert
eine Sonate für den Arpeggione komponiert. Diese Sonate steht im
Mittelpunkt des heutigen Newsletters.
Der Arpeggione war der Versuch, die leichte Spielbarkeit der Gitarre
mit der Klangpracht des Cellos zu verbinden: mit sechs Saiten und
Bünden genauso wie eine Gitarre ausgestattet, wurde der Arpeggione
aber wie ein Cello zwischen den Knien gehalten und mit dem Bogen
gestrichen. Durchsetzen konnte es sich nicht, nur im Museum finden
sich heute noch einzelne Instrumente, wie sie um das Jahr 1820 gebaut
wurden.
Der Musiker Vincenz Schuster war einer der wenigen begeisterten
Spieler des Arpeggione: klanglich laut Zeitgenossen in der Höhe einer
Oboe ähnlich und in der Tiefe einem Bassetthorn. Schuster war es
wahrscheinlich auch, der Schubert 1824 um eine Sonate für den
Arpeggione bat. Mit Schubert am Klavier hat er das Werk dann Ende
desselben Jahres uraufgeführt. Den Untergang des Arpeggione konnte er
dennoch nicht verhindern. Ich habe bei youtube jedoch tatsächlich
einen Musiker entdeckt, der den 1. Satz von Schuberts Werk mit dem
Arpeggione aufgenommen hat: Nicolas Deletaille, begleitet von Alain
Roudier:
https://www.youtube.com/watch?v=do9UgdfwM5Q
Die Sonate geriet nicht in Vergessenheit; Cellisten wie Bratscher
freuen sich bis heute, dass Schuberts Sonate ihr Repertoire
bereichert. "Ich fühle mich als den unglücklichsten, elendsten
Menschen auf der Welt", schrieb Schubert noch im März 1824 an seinen
Freund Leopold Kupelwieser. Den Sommer verbrachte der Komponist dann
im ungarischen Zseliz bei Graf Esterházy und dessen Familie.
Beschwingt kehrte er nach Wien zurück: "Schubert ist hier, gesund und
himmlisch leichtsinnig, neu verjüngt durch Wonne und Schmerzen und
heiteres Leben,“ berichtete Moritz von Schwind. Im November
komponierte er die Arpeggione-Sonate - es scheint, als ob sich
Schubert wechselvolles Jahr, durchzogen von Licht und Schatten sowie
Heiterkeit und Melancholie, in der Musik spiegelt.
Schuberts Sonate ist für Cellisten ein echte Herausforderung, denn die
originalen Fingersätze des Arpeggiones lassen sich kaum auf das Cello
übertragen. Dennoch gibt es kaum einen Cellisten, der dieses Werk
nicht im Repertoire hat. Im November 1992 spielte Yo-Yo Ma dieses Werk
gemeinsam mit Rudolf Firkusny in der Suntory Hall in Tokio, zusehen im
folgenden Link:
https://www.youtube.com/watch?v=6n7Jbe5f7EE
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler